24.03.2004 - Macondo
PRESSESPIEGEL
Macondo
Edition Zehn, S. 69
angesehen SPECIAL
Norbert Guthier: Guthier No. 3
Intime Augenblicke
Mit MACONDO eng verbunden ist ja mittlerweile der Frankfurter Fotograf Norbert Guthier. Seine Fotos haben schon einige Ausgaben geschmückt und auch in dieser Edition Zehn ist Guthier wieder vertreten. Seine Bande mit Aktfotos, das bibliophile Bodytransfer und das spätere Kinky & Blissful wurden in unserem Rezensionsteil bereits ausführlich gewürdigt. Sträflich übergangen haben wir das gänzlich anders gelagerte, engagierte Projekt The Botanical Ark (www.botanicalark.com), das einem ehrgeizigen Regenwaldprojekt gewidmet ist, an dem Guthier viel liegt, nicht zuletzt, weil wir glaubten, dass die berauschende Farbenvielfalt dieser Arbeiten in einem schwarz-weißen Magazin nicht wirklich wiedergegeben werden konnte. Die Fotos zum Text Schattenmorellen beweisen das Gegenteil... Doch nun gibt es ganz aktuell wieder einen neuen Band mit Aktfotos Guthiers - inklusive einer Kurzgeschichte von Thor Kunkel. Kunkel, dessen Schwarzlichtterrarium einen großen Fankreis gewonnen hat und dessen für das kommende Frühjahr angekündigter neuer Roman mit großer Spannung erwartet wird, greift ein leider schon etwas abgegriffenes Sujet auf: Ein in Geheimlabors gezüchtetes Virus bringt die Menschheit dazu, sich quasi zu Tode zu vögeln. Das liest sich recht amüsant auf den Spuren von Roald Dahl, verfehlt aber letztlich in seinem Tonfall die Stimmung von Guthiers Fotos. Bereits in Kinky & Blissful überschritt Guthier Grenzen, unternahm fotografische Wanderungen auf dem schmalen Grat zwischen Erotik und Pornografie. In No 3, dessen Titel und Cover eine ironische Hommage an Chanel No 5 ist, wagt er sich noch ein Stück weiter vor. Wer in enger Definition bereits die Darstellung einer Erektion als Pornografie auslegt, sollte um dieses Buch lieber einen großen Bogen machen. Wenn man aber voraussetzt, dass Pornographie die Darstellung von Sexualität zum bloßen Selbstzweck ist, so ist - Guthier No 3 weit davon entfernt. Guthiers Fotos zeigen Momente großer Intimität. Eher klassisch sind die Posen der einzelnen Frauen, die sich Guthiers Kamera stellen, etwas wirklich Besonderes hingegen bieten die Aufnahmen der Paare. Große Zärtlichkeit und Hingebung strahlen diese Aufnahmen aus. Man merkt, dass diese Aufnahmen nicht inszeniert sind, nicht den Vorgaben des Fotografen folgen. Hier wird auch nichts geschont, keine besonders originelle „location" gesucht. Und so ist es Guthier möglich, sogar Closeups von Fellatio zu zeigen, ohne dass diese in irgendeiner Form billig oder gekünstelt wirken. Zum Teil sind die Fotos sehr grobkörnig oder verwischt, doch nicht als ein Mittel der Selbstzensur, sondern um dem fotografierten Akt eine noch größere Dynamik zu verleihen. Guthiers Fotos berühren, faszinieren und - ja - sie erregen auch - und was gibt es Schöneres über erotische Fotografie zu sagen?
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